Bericht aus der Siegener Zeitung
Die Hannoveraner A-cappella-Formation Maybebop, erneut vom Männerchor 1888 im Sängerbund Wilnsdorf
eingeladen, brachte am Donnerstagabend das Siegener Apollo-Theater zum Kochen. Foto: aww
Es ging durch die Genres und das Leben
Leicht, luftig, Maybebop
Siegen. Das A-cappella-Ensemble gastierte zum zweiten Mal auf Einladung des Männerchors 1888 im Sängerbund Wilnsdorf in Siegen - dieses Mal im Apollo-Theater.
aww - Der Tod gehört zum Leben dazu, und deshalb nehmen sich die vier Herren von Maybebop einfach mal die Freiheit, sich auf offener Bühne darüber auszutauschen, wie sie ihren jeweiligen Weg alles Irdischen zu gehen gedenken. Einer will sich einbalsamieren lassen und im Mausoleum seine letzte Ruhestätte finden, der andere möchte seine Asche aus dem Sportwagen heraus in alle Winde verweht wissen – blöd, dass er dabei nicht mehr selber am Lenker sitzen kann. Makaber? Mag sein, aber Maybebop nehmen selbst solch ein Thema mit einer Leichtigkeit und einem so netten Humor, dass alle Erdenschwere sofort dahin ist. Jenes Leichte, Luftige, Lockere, die Gabe, nach dem Motto „take it easy“ zu verfahren, ohne dabei der Oberflächlichkeit anheimzufallen, prägte das Konzert des A-cappella-Quartetts am Donnerstagabend im voll besetzten Apollo-Theater.
Gastgeber aus Wilnsdorf ließen zu Anfang von sich hören
Fast zwei Jahre ist es her, dass die vier Top-Vokalisten zuletzt in Siegen waren, damals in der Siegerlandhalle und ebenfalls auf Einladung des Männerchors 1888 im Sängerbund Wilnsdorf. Die rund 50 heimischen Sänger unter der Leitung von Thomas Bröcher ließen es sich auch diesmal nicht nehmen, ein paar Kostproben ihrer beachtlichen gesanglichen Qualitäten zu geben und mahnten das Publikum eingangs mit „The Earth Is My Mother“, auf unseren Planeten achtzugeben (Trommel: Vorsitzender Klaus Grünebach). Bei Elton Johns „Can You Feel The Love Tonight“ griff Jens Neuser in die Tasten und Sänger Torsten Heinz gelang ein besonders schönes Solo. Richtig flott waren die stimmstarken Wilnsdorfer schließlich auf John Denvers „Country Roads“ unterwegs, die sie zwar nicht nach West Virginia brachten, aber zumindest von der Bühne herunter, die nunmehr frei werden sollte für das Hannoveraner Profi-Quartett.
„Weniger sind mehr“ heißen CD und die Show
Mit einem bunten Stilmix-Medley von der Ballade bis zum Rap und ebenso farbenfroh gewandet – sie waren beim Stilberater – stellten sich Jan Bürger (Countertenor), Lukas Teske (Tenor), Oliver Gies (Bariton) und Sebastian Schröder (Bass) ihren vom ersten Ton an mitgehenden Zuhörern vor. Ein furioser Schnelldurchlauf durch ein Konzert – starke Idee zum Auftakt der Show, die, dem Titel der 2013er-CD entsprechend, „Weniger sind mehr“ überschrieben war. Aus Hessen war der 26-jährige Florian Glatt angereist, der aus den Publikumsrängen heraus auf die Bühne zitiert wurde und zu einem großen Auftritt vor vollem Haus kam. Er hatte die Jungs von Maybebop im Vorfeld per Mail angefragt, ob er ein Stück mit ihnen singen dürfe. „Ich habe ihnen zwei Lieder vorgeschlagen“, erzählte Florian der SZ in der Konzertpause. „Kleiner grauer Falter“ ist es dann geworden. Der Gießener durfte die Solostimme singen – und machte das richtig, richtig gut. Schließlich war die Angelegenheit sozusagen mit der heißen Nadel gestrickt. Florian: „Wir haben vorher nicht zusammen geprobt.“
„Happy“-Jazz, Beatboxing und Rollentausch von Bass und Countertenor
Der Megahit „Happy“ in swingender Jazzvariante, das schwer stampfende „Nimm mich mit“ mit Industrialsounds auf den Stimmen, die melancholische Ballade „Liebesbrief“, ein starkes Beatboxing-Solo von Lukas, das nachdenklich stimmende Lied des ständig Gehetzten, der keine Zeit hat, danach zu fragen „Wie’s mir geht“, oder der ganz hervorragend inszenierte Rollentausch von Bass und Countertenor, die beide nicht mehr nur immer ganz tief oder ganz hoch singen wollten – es ging quer durch die Genres, und es ging quer durchs Leben. Das alles, versteht sich, auf höchstem stimmlichen Niveau, perfekt getimt, perfekt intoniert – und perfekt in Szene gesetzt. Denn an den vier Sängern sind auch Schauspieler verloren gegangen. Sie hatten ihr Konzert durchkonzipiert und sorgten immer wieder mit gespielten Sequenzen für Auflockerung. Begabte Tänzer sind sie sowieso – das meiste war choreografisch durchgestylt.
Stimmbandentzündung? Standing Ovations!
Davon, dass Oliver Gies noch am Abend vorher das in Oberhausen geplante Konzert wegen einer Stimmbandentzündung absagen musste, war im Apollo nichts mehr zu spüren. Vielmehr enthusiasmierte er die Zuhörer mit einem improvisierten Text zu den aus dem Auditorium zugerufenen Stichworten Winnetou, Siegplatte, Wärmegewitter, Stimmbandentzündung (!) und Schrittgummi (!!). Hut ab! Dann gab es noch ein gewaltiges Finale mit John Miles’ „Music“, eine Zugabe auf Zuruf, ein weiteres „Fast-Forward“-Medley, mit dem die Sänger Paula zum 14. Geburtstag gratulierten und, na klar: Standing Ovations.